Der iMessias
von Timo Roller
Über das Leben und den Tod von Steve Jobs, einem Genie unserer Zeit.
[Factum 8/2011; veröffentlicht am 16.11.2011; zuletzt aktualisiert am 1.12.2011]
Apple stellt nicht her, was die Menschen brauchen – Menschen brauchen, was Apple herstellt. »iGod« wurde Steve Jobs genannt. Die Verehrung des Apple-Chefs nahm religiöse Züge an und seine Produktvorstellungen in Jeans und Rollkragenpulli – die Keynotes – waren legendär. »One more thing« – »Ich habe da noch was«: den iMac, den iPod, das iPhone, das iPad. Nun ist er tot, gestorben am 5. Oktober 2011 an Bauchspeicheldrüsenkrebs. In den Nachrufen stehen Worte wie Weltverbesserer, Papst, Ikone, Guru – für viele war Steve Jobs ein Messias.
Apple stellt nicht her, was die Menschen brauchen – Menschen brauchen, was Apple herstellt. »iGod« wurde Steve Jobs genannt. Die Verehrung des Apple-Chefs nahm religiöse Züge an und seine Produktvorstellungen in Jeans und Rollkragenpulli – die Keynotes – waren legendär. »One more thing« – »Ich habe da noch was«: den iMac, den iPod, das iPhone, das iPad. Nun ist er tot, gestorben am 5. Oktober 2011 an Bauchspeicheldrüsenkrebs. In den Nachrufen stehen Worte wie Weltverbesserer, Papst, Ikone, Guru – für viele war Steve Jobs ein Messias.
Als ich 1997 auf das Apple-System umstieg, kehrte Steve Jobs gerade zurück, nachdem er die Firma zwölf Jahre zuvor verlassen hatte. 1976 gründete er Apple zusammen mit zwei Freunden sprichwörtlich in der Garage. Der »Macintosh« – 1984 auf den Markt gebracht – revolutionierte durch seine grafische Benutzeroberfläche den noch jungen Computermarkt. Mitte der 1990er Jahre überzeugten Apple-Computer durch intuitive Bedienbarkeit sowie durch ein übersichtliches und stabiles System – ganz anders als die damaligen PCs mit dem noch schwerfälligen Windows 3.1 oder gar dem kryptischen DOS.
Zunächst baute auch Apple noch graue, teure Kästen – Werkzeuge für Profis und Enthusiasten. Mit Steves Rückkehr und dem dem »bonbonfarbenen« iMac wurde plötzlich das Außergewöhnliche zum Lebensstil. Jobs stellte Apple in eine Linie mit den Genies der Menschheitsgeschichte: Einstein, Edison, Gandhi, Hitchcock, Picasso – »Think different«, »Denke anders«. Sei anderes, sei besonders.
Apple-Besitzer wurden mit diesem Bewusstsein zu Fans, zu Jüngern. Steve Jobs war der große Meister, dem die Menschen, die IT-Branche und die Presse an den Lippen hing. »Apple, das war Protest gegen das Reich des Bösen in Gestalt von Bill Gates.« (1) Gates, der übermächtige Microsoft-Chef beherrschte damals nahezu uneingeschränkt die triste PC-Welt und manche vermuteten in ihm bereits den Antichrist. Heute sagt Gates: »Ich werde Steve enorm vermissen.«
Vieles hat sich in den letzten zehn Jahren gewandelt. Apple dominiert den digitalen Lebensstil: Musik, Filme, Handy, digitale Daten – die Firma möchte unser Leben verwalten und dafür sorgen, dass alles über Apples virtuelle Datenwolke läuft – die iCloud. Spätestens seit dem iPhone schossen die Aktien ins Unermessliche. Heute ist Apple das wertvollste Unternehmen der Welt. Nicht mehr »Think different«, sondern eher: »Think like us.« Denke nicht mehr anders – denke, wie wir es bestimmen.
Längst sind alte Fans auf der Strecke geblieben: Profis, die sich nicht auf Apples unvorhersehbare Produktpolitik verlassen wollen – jüngstes Beispiel: das Videoschnittprogramm »Final Cut Pro«, das plötzlich generalüberholt wichtige Funktionen vermissen lässt und alte Projekte nicht mehr lesen kann. »Keiner weiß, was geschehen wird, bis zu dem Moment, wenn Steve die Bühne betritt und die Gläubigen anspricht«. (2) Steve Jobs war Alleinherrscher gegenüber seinen Mitarbeitern, den Apple-Nutzern, der Musikindustrie und neuerdings der Verlagswelt. »Apple, es reicht!« schrieb noch am 27. August »Ex-Fan« Hajo Schumacher auf Spiegel Online (3): »Wenn alle Porsche fahren, wird der Golf wieder interessant.« Ich selbst bin beim Videoschnitt auf die Konkurrenz »Adobe Premiere« umgestiegen.
Kunden als Verbündete, Rebellen gegen den Mainstream, die eigene Individualität als Programm: »Das ist das Image, und es ist gelogen. Steve Jobs ist kein Rebell mehr: Es geht um Monopole, Marktbeherrschung, nach der Revolution kommt immer der nächste Herrscher«. (4)
Nun ist der Herrscher, das Idol, Steve Jobs vom Krebs bezwungen worden. Reichlich wurde in den letzten Tagen aus einer Rede zitiert, die er 2005 vor Stanford-Absolventen gehalten hat: »Der einzige Weg, großartige Arbeit zu leisten, besteht darin, zu lieben, was man tut.« »Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre, würde ich dann das tun wollen, was ich heute tun werde?« »Am Ende bleibt nur das, was wirklich wichtig ist.« – Unlängst wurden auf dem Internetportal macnews.de »die zehn Gebote des Steve Jobs« veröffentlicht (5).
Kein Zweifel: er hat viele Menschen durch seine Worte und noch mehr durch sein Werk motiviert und inspiriert. In der Rede sprach er ehrlich über die Erkenntnisse nach seiner – zunächst erfolgreichen – Krebsoperation:
»Niemand will sterben, auch nicht diejenigen, die in den Himmel wollen. Und doch ist der Tod unser aller Bestimmung. Keiner ist ihm je entronnen. Und genau so soll es auch sein, denn der Tod ist höchstwahrscheinlich die beste Erfindung des Lebens. Er verändert das Leben. Er räumt mit dem Alten auf und ebnet den Weg für das Neue. Heute sind Sie das Neue, aber eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, werden Sie allmählich das Alte werden und beseitigt werden. Entschuldigen Sie, dass ich jetzt dramatisch werde, aber so ist es. Ihre Zeit ist begrenzt, also verschwenden Sie sie nicht. Lassen Sie sich nicht von Dogmen in die Falle locken. Lassen Sie nicht zu, dass die Meinungen anderer Ihre innere Stimme ersticken. Am wichtigsten ist es, dass Sie den Mut haben, Ihrem Herzen und Ihrer Intuition zu folgen. Alles andere ist nebensächlich.«
Vieles aus diesem Abschnitt ist zitiert worden, auch in christlichen Medien. Doch Steve kannte den Tod nur als Grenze des Lebens, deshalb war es sein Leben, aus dem er das beste machen wollte: »Bleibt hungrig, bleibt tollkühn«, riet er den Studenten. Der Tod als Motor: »Keiner ist ihm je entronnen.« Da haben Christen eine andere Perspektive: Der wahre Messias hat den Tod besiegt!
Jobs war bekennender Buddhist. Jobs-Biograf Isaacson beschreibt den Apple-Mitbegründer als Skeptiker mit esoterischen Zügen. Statt sich sofort operieren zu lassen, habe er auf vegane Ernährung umgestellt und bei einem spiritistischen Medium verzweifelt um Rat gesucht. Steve Jobs machte die Technik zum Götzen. Er ist als Unternehmer zum Popstar geworden, sein Unternehmen hat fanatische Fans wie ein Fußballclub; Apple erscheint einem als Religionsgemeinschaft mit ergebenen Anhängern.
Der Autor Stefan Kuzmany, der nach eigenen Angaben »zugeben muss, stets in der Gefahr zu schweben, mehr Zeit mit seinem iPad zu verbringen als mit seinem kleinen Sohn«, stimmte nach Jobs Tod nachdenkliche Töne an: »Die Welt, die Steve Jobs verbessert hat, ist also eine relativ kleine: Es ist die Welt derer, die keine großen Probleme haben.« Und: »Steve Jobs hat eine schöne Rede in Stanford gehalten, über Selbstverwirklichung, Träume, und den Willen, sich nicht verbiegen zu lassen. Wer allerdings Jobs' Geschäft mit Philosophie oder gar Religion verwechselt, huldigt dem puren Materialismus.« (6)
Technik muss bleiben, was sie ist: Werkzeug. Ein Auto ist ein Fortbewegungsmittel, das iPhone ein Telefon, mit dem man praktischerweise Mails checken, durch die Stadt navigieren oder die Wettervorhersage anschauen kann. Und doch ist es im wahren Leben oft schwer, sich der Faszination der coolen iHilfen zu entziehen.
Steve Jobs war ein genialer Mensch mit Ecken und Kanten, der in der Computerbracnhe und weit darüber hinaus viel bewegt hat. Ein Messias war er nicht. Das Magazin »Focus« schrieb: »Der Apple-Gründer hat alles erreicht. Außer Unsterblichkeit.« (7)
Die Jünger des echten Messias Jesus Christus täten gut daran, sich vom Enthusiasmus der Steve-Jobs-Anhänger eine Scheibe abzuschneiden. Denn Christus ist auferstanden. Und nach 2000 Jahren hat seine Botschaft nichts von ihrer Kraft verloren.
(1) Hajo Schumacher: »Apple, es reicht!«, www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/0,1518,781811,00.html
(2) Ex-Mitarbeiter David Sobotta, zitiert in Spiegel 17/2010, S. 77
(3) www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/0,1518,781811,00.html
(4) Spiegel 17/2010, S. 76
(5) www.giga.de/macnews/newsticker/die-zehn-gebote-des-steve-jobs-131147
(6) www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,790325,00.html
(7) Focus 41/2011, S. 175