Vor 40 Jahren: Das Massaker von München
Elf Israelis starben 1972 bei den »Spielen des Friedens«
[Timo Roller, geschrieben am 30.3.2001 für »Einzigartiges Israel 1.2«; überarbeitet am 25.7.2012]
Der von den Palästinensern als »Freiheitskampf« bezeichnete Terrorkrieg gegen den Staat Israel trat 1972 während der Olympischen Spiele in München den grausamen Schritt an die weltweite Öffentlichkeit. Vor einem Millionenpublikum spielte sich ein Geiseldrama ab, das in der Geschichte bisher beispiellos war und die Spiele des Friedens zum Schauplatz einer kriegerischen, gewaltsamen Auseinandersetzung machte.
Die Katastrophe geschah am 5. September, dem elften Tag der Sommerolympiade, die zum ersten Mal nach 1936 wieder in Deutschland ausgetragen wurde. Adolf Hitler hatte damals die Spiele in Berlin für nationalsozialistische Propaganda und Machtdemonstrationen missbraucht. Nach Hitler, dem größten und schrecklichsten Judenmörder aller Zeiten, waren nun, 27 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, wieder Juden die Opfer. Diesmal waren zwar nicht Deutsche als Täter beteiligt – aber die deutschen Politiker und Behörden waren nicht unschuldig am katastrophalen, tödlichen Ausgang des Terrorakts von Yassir Arafats PLO-Kämpfern.
Um vier Uhr morgens kletterten acht palästinensische Terroristen über die Zäune des Olympischen Dorfes und drangen in das Quartier der israelischen Sportler ein. Ein Athlet wurde sofort umgebracht, einer konnte im Kugelhagel fliehen. Ein weiterer verblutete im selben Zimmer, in dem neun weitere Israelis festgehalten wurden. Die Geiselnehmer forderten die Freilassung von über 200 politischen Gefangenen aus israelischen, deutschen und österreichischen Gefängnissen bis zwölf Uhr mittags.
Zwei nachträglich verhandelte Ultimaten liefen aus, Befreiungsversuche durch die deutsche Polizei scheiterten kläglich. Die Bundeswehr durfte aus rechtlichen Gründen nicht eingreifen, die Hilfe einer israelischen Spezialeinheit wurde abgelehnt und die GSG-9 ist erst als Folge dieses Vorfalls ins Leben gerufen worden.
Die israelische Regierung lehnte es kathegorisch ab, Gefangene freizulassen; darauf antworteten die Terroristen mit neuen Forderungen: Zusammen mit den neun Geiseln wollten sie in ein arabisches Land ausgeflogen werden.
Die deutsche Regierung beschloß darauf, spätestens auf dem Militärflughafen in Fürstenfeldbruck, den die Araber mit ihren Gefangenen per Hubschrauber erreichten, die Falle zuschnappen zu lassen. Scharfschützen nahmen ihre Positionen ein, doch der Befreiungsversuch wurde zum Fiasko: Eine fatale Mischung aus Inkompetenz, Unerfahrenheit, Fehleinschätzung der Lage und Pech führte zum tödlichen Finale: Man hatte mit höchstens fünf Terroristen gerechnet, doch es waren acht. Zu wenig Scharfschützen warteten auf dem Flughafen.
Es kam zum Schußwechsel. Nur ein Terrorist wurde sofort getroffen. Die anderen sprengten nach einer längeren Schießerei den ersten Hubschrauber, in dem ein Teil der gefesselten Geiseln saßen, mit einer Handgranate in die Luft. Die restlichen Geiseln im zweiten Hubschrauber wurden mit einer Maschinengewehrsalve ermordet.
Kaum 24 Stunden nach dem ersten Alarm waren neun israelische Geiseln gestorben, vier der acht Terroristen und ein deutscher Polizist, der von der verirrten Kugel eines Scharfschützen getroffen wurde. Eine Katastrophe, die für die Angehörigen um so grausamer war, als die offensichtlich verwirrten deutschen Behörden mitten im Kugelhagel die Botschaft von der glücklichen Rettung verkündeten.
Wenig später entführten weitere Terroristen der PLO eine Lufthansa-Maschine, die von Beirut nach Deutschland unterwegs war und erreichten die Freilassung der drei Attentäter. Zwei von ihnen wurden allerdings später vom israelischen Geheimdienst getötet.
Mit ihrem eineinhalbstündigen Film »Ein Tag im September« gelang Kevin MacDonald und Arthur Cohn ein authentisches Dokumentardrama über dieses tragische Ereignis. Der letzte überlebende Geiselnehmer, Jamal Al Gashey, den der Autor erstmals vor die Kamera holte, erzählt darin vermummt die Geschichte der Geiselnahme aus seiner eigenen Sicht. Auch Ankie Spitzer, die Witwe des getöteten Fecht-Trainers Andre Spitzer äußert sich im Film zu den Ereignissen. Das Werk wurde als bester Dokumentarfilm des Jahres 2000 ausgezeichnet.
Es ist bedauerlich, dass sich das Internationale Olympische Komitee anlässlich des bevorstehenden 40. Jahrestages des Massakers nicht dazu durchringen konnte, in aller Öffentlichkeit eine Gedenkminute zu halten. Der Kommentar des Vorsitzenden des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann: »Es wird hoffentlich nicht daran liegen, dass dem IOC inzwischen so viele arabische und muslimische Länder angehören und deshalb das IOC in vorauseilender Feigheit sogar davor zurückschreckt, Trauer zu zeigen.« Nur im überschaubaren Rahmen anlässlich seines Besuches im Olympischen Dorf hat IOC-Präsident Jacques Rogge am 23. Juli 2012 der israelischen Opfer gedacht.